Für den 12. Themenband der IGSP-Buchreihe sind 13 Beiträge in Arbeit, die sich dem Thema widmen «Mit Studierenden forschen. Möglichkeiten und Grenzen der Lehrforschung». Zur gleichnamigen Arbeitstagung trafen sich jene Autorinnen und Autoren im Tagungszentrum Au (ZH), die es neben Lehr- und anderen Verpflichtungen einrichten konnten. Einblicke in fünf durchgeführte oder geplante hochschuldidaktische Settings regten einen intensiven Austausch zu den im Call fokussierten Aspekten der Lehrforschung an.

Die Beiträge brachten zur Darstellung, mit welchen hochschuldidaktischen Arrangements Studierende zur Bezugnahme auf die eigene berufliche Praxis herausgefordert werden (sollen). Ein Schwerpunkt der Diskussion lag auf der Frage, mit welchen daten- und methodengestützten Verfahren sichtbar gemacht werden kann, was Studierende dabei tun und wie sie es tun.

Teilnehmende der Arbeitstagung, von links: Nadine Schallenkammer, Tobias Leonhard, Katharina Lüthi, Kai Felkendorff, Simone Herzog, Roy Schmid

Über die (Selbst-)Beforschung Lehrender und Lernender. Möglichkeiten und Grenzen der (gemeinsamen) Beforschung verstehender Zugänge zur (schul-)pädagogischen PraxisNadine Schallenkammer ist Professorin der Lehreinheit Pflege und Gesundheit und Studiengangsleiterin im Masterstudiengang Berufspädagogik für Pflege- und Gesundheitsberufe der Frankfurt University of Applied Sciences. Sie berichtet Erfahrungen mit der kollegialen Beratungsplattform SuRe (Subjektive Relevanz), die verstärkt auch kasuistisch in die Lehre integriert und in die Praxis überführt werden soll. Dabei beobachtet sie eine Abwehr gegenüber verstehenden Zugängen wie der Objektiven Hermeneutik oder der Tiefenhermeneutik und das Phänomen, dass angehende Lehrkräfte für Berufe im Gesundheitswesen wenig Offenheit, Geduld und Musse aufbringen, um tiefer in Fälle und Datenmaterial einzusteigen. Ob das Verharren an der Oberfläche dem Handlungsdruck der Praxis oder dem berufskulturellen Modus, «unter allen Umständen funktionieren zu müssen», geschuldet ist, ob und wie es aufgebrochen werden sollte oder könnte, sind die zu bearbeitenden Fragen.

Irritation als Lernimpuls: Reflexionsräume im Tandem-Lehrforschungssetting mit Studierenden: Roy Schmid ist Bereichsleiter der Berufspraktischen Ausbildung Sekundarstufe I an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Er verbindet seinen Beitrag mit seinem laufenden Dissertationsprojekt zur Lehrer:innenbildung an der PH Zürich. Erste Befunde zur Frage, wie sich Praxen der Irritationsbearbeitung in berufspraktischen Seminaren gestalten, verweisen darauf, dass Unsicherheit und Ambivalenz rasch in normativ abgesicherte Deutungsmuster überführt werden und Reflexion dabei weniger als Suchbewegung erscheint, als vielmehr der Selbstvergewisserung dient, die institutionelle Erwartungen stabilisiert. Vor diesem Hintergrund plant er eine Begleitveranstaltung zur Berufspraxis, bei der Irritationen als Ausgangspunkt für professionelle Lernprozesse produktiv gemacht werden sollen. Den methodologischen Doppeldecker realisiert er mit der Reflexiven Thematischen Analyse (RTA), mit der sowohl Studierende ihre videografierten Sequenzen zum Praktikum als auch die Dozierenden die im Seminar entstandenen Materialien auswerten.

Einlassung auf Erkenntnisprozesse in Qualifikationsarbeiten? Die BA-Arbeit im Studium zum Lehrberuf: Tobias Leonhard ist Professor für Professionsentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Er nimmt im Beitrag die Möglichkeiten und Grenzen in den Blick, Studierende im Rahmen ihrer BA-Arbeit in Erkenntnisprozesse zu involvieren. Der Idee folgend, Studierende als Ko-Autorinnen und Erkenntnissubjekte an der Bearbeitung von Geltungsfragen zu beteiligen, will er diese in der digitalen Lernumgebung Online Research Lab mit Feedback dabei unterstützen, qualitativen Daten mit geringem Umfang methodengestützt viel Erkenntnis abzuringen. Erste Eindrücke im Prozess schildert er mit der völligen Fremdheitserfahrung der Studierenden mit qualitativer Forschung, die sich durch Überzeugungsarbeit im Seminar dann allerdings in eine Bereitschaft zur Einlassung sowie einen engagierten und unerschrockenen Feldzugang transformieren liess. Für den methodischen Doppeldecker arbeitet er mit der Adressierungsanalyse, mit der er die beiden Studierenden-Tandems auf die Konfliktbearbeitung im Klassenrat und die Arbeit im Wochenplan blicken lässt und mit der er selbst die schriftlichen Ausdrucksgestalten der studentischen Erarbeitungen zum Gegenstand der Analyse macht.

Professionalisierung im Modus der Aktionsforschung: Studentische Aneignungsprozesse in berufsintegrierten Masterprogrammen einer Pädagogischen Hochschule: Simone Herzog und Kai Felkendorff sind Dozierende der Sekundarstufe I an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ausgangspunkt ihres Beitrags ist das Konzept der Aktionsforschung, das sich zum mehrheitlich angewandten Format für Masterarbeiten etabliert hat. Potenzialen und Ambivalenzen dieses Erfolgsmodells spüren sie mit den Fragen nach, wie sich Studierende im forschungspraktischen Setting der Aktionsforschung bewegen, welche Vorstellungen und Konzepte sie sich aneignen und wie sie ihre Positionierung im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und berufsbezogener Relevanz wahrnehmen und deuten. Den methodischen Zugang zur analytischen Erfassung dieser Aneignungsprofile sehen sie mit der sequenzanalytischen Auswertung von zwei Fokusgruppeninterviews mit unterschiedlichen Kohorten von Masterstudierenden vor, um sowohl einen prospektiven als auch einen retrospektiven Einblick in den Aktionsforschungs-Prozess zu gewinnen. Alternativ erwägen sie die Analyse inhaltlich vergleichbarer Ausschnitte aus den Masterarbeiten selbst.

Vom Zeigen und Lernen im Dispositiv des Forschens: Katharina Lüthi ist Dozentin F&E an der Pädagogischen Hochschule Zürich und Gastdozentin für Forschungsmodule an der Pädagogischen Hochschule FHNW. Sie untersucht, mit welchen Erkenntnisinteressen und Erkenntnissen Studierende im Rahmen eines Moduls zur Anbahnung eines wissenschaftlichen Denkhabitus im Bachelorstudiengang Kindergarten-/Unterstufe an das anschliessen, was und wie ihnen etwas gezeigt wurde. Den methodischen Doppeldecker bearbeitet sie mit Konzepten der biographisch situierten Adressierungsanalyse (bsA). Studierende eines Moduls zur Vorbereitung der Bachelorarbeit dokumentieren in einem Forschungstagebuch, wie sie eine Forschungsfrage und ein Forschungsdesign entwickeln sowie Daten erheben, auswerten und interpretieren. Diese Forschungstagebücher werden zum Datenkorpus für die Analyse von differenziellen Figuren, mit der das Dispositiv des Forschens als Wechselspiel von Erwartungen der (Aus-)Bildungsinstitution und der Biographieträger:innen herausgearbeitet wird.

Wir danken den Teilnehmenden der Arbeitstagung für den inspirierenden Austausch. Ebenso danken wir allen Autorinnen und Autoren für die eingereichten Abstracts. Auf die Beiträge freuen wir uns sehr.

Katharina Lüthi und Tobias Leonhard

Mitglied werden